Aufgewachsen war sie in Konstantinopel. Ihr Vater: Militärberater beim Sultan. / 15-jährig, unterm Schutz von Dienern und Soldaten, durfte sie ausreiten: In Kleidern eines jungen Bey. Bey bedeutet „Herr“. Auf die Weise kam sie weit herum in Anatolien. Nahte die Dunkelheit, strebte sie der nächsten Karawanserei zu. Die Diener kümmerten sich ums Pferd. Der „Bey“ hockte im Schein des Nachtfeuers dann bei Kamelen, Pferden, Eseln und Schafen und hing am Mund des Märchenerzählers. So hat er, der eine Frau war, die über Generationen erzählten Nomadengeschichten gehört und gelernt. Märchenerzähler ersetzten damals Radio und Fernsehen. Sie waren beliebt, - und überall willkommen, wo immer sie auftauchten.
Der junge Bey, der ein Mädchen war, sprach türkische, arabische und kurdische Dialekte. Es wurde bekannt, dass er selber Märchen erzählte, kunstfertig und spannend. Fehim Bey, der berühmte Mazarlyk-dji, Zunftmeister der Märchenerzähler, hörte sich den Jungen an. War begeistert von seinem außergewöhnlichen Vortrag. Weil er so ganz echt türkisch erzählte, ließ er sich manchmal von ihm vertreten. Es kam sooo weit, dass er dem Bey, der Elsa Sophia hieß, ahnungslos, wie er war, die Manneswürde eines „Meddeh“ verlieh: Der Titel galt so viel wie ein Märchenerzähler-Meisterdiplom. Eins der populärsten Märchen des ganzen Alten Orients – meisterhaft vorgetragen von der Kamphoevener – ist das Basilikummädchen.
In ein fernes Königreich weit hinter Griechenland kam der Nachbarkönig auf Besuch. Beide Könige hatten mit gewonnenen Kriegen, gefangen genommenen Feinden und von ihnen beeindruckten Frauen schon genug geprahlt, da bot der Gastgeberkönig das pompöseste Eigenlob auf, als man in den Speisesaal kam. Dort bogen sich die Tische von den riesigen Mengen an Köstlichkeiten, und da die Sommernacht so herrlich war, hatte man die Fenster weit geöffnet. Ein Silbertablett nach dem andern schleppten die Diener herbei, - als plötzlich der Nachbarkönig von seinem Sessel hochfuhr und mit bebenden Nasenflügeln zu den offenen Fenstern eilte, laut fragend: „Was ist das, noch nie habe ich Köstlicheres, Feineres gerochen als diesen Duft!“
Da der königliche Gast aus der Nachbarschaft bekannt war für seine sensible Nase, wollte natürlich keiner zugeben, dass er außer gesunder Landluft eigentlich gar nichts besonderes riechen konnte. Ärger und Wut befielen den Gastgeber-König wegen dem dummen Duft und sogleich ließ er den Minister für Essensfragen kommen, der eine Abordnung in die Wälder schickte, herauszufinden, welches Gewächs diesen Duft ausströmte, - wobei natürlich alle anderen Gäste in überzeugend wortreicher Lüge erklärten, sie seien stolz den so hocharomatischen Geruch in ihrem Königreich zu haben. - Als es zum Abschied kam, tickte das Herz des Gastgeberkönigs wie eine Zeitbombe, - er stand kurz davor, über die Maßen blamiert dazustehen und zugeben zu müssen, er habe den Duft weder orten noch erklären können. Da stürzte der König mit der sensiblen Nase auf ein Bauernmädchen zu, das gerade vorbeikam. Einen Kräuterbuschen hielt es in Händen. Der Gastgeberkönig beauftragte das Mädchen: „Bring von dem Kaut so viel wie du nur tragen kannst.“ Der königliche Gast nahm das Geschenk in seliger Dankbarkeit entgegen und vertraute es seinem allertreuesten Diener an. Die Könige umarmten sich und seitdem heißt das duftende Kraut Basilikum, das bedeutet Königskraut, weil „basileus“ im alten Griechisch eben „König“ heißt.
Basilikum ist eine Blume aus Allahs Garten, - sie gehört zum Orient. / „Orient“, was ist das? Früher war alles Orient, wo von uns aus gesehen die Sonne aufgeht. Alles war gemeint bis China und weiter. Heute bedeutet „Orient“ nur den „Nahen Osten“. Dazu gehören Ägypten, Syrien, das Heilige Land, die Türkei, Mesopotamien mit Euphrat und Tigris, Iran, Irak, - und die arabische Halbinsel mit Jordanien, Libanon, den Emiraten und dem Jemen.
Romantisch-märchenhaft und ein wenig zurückgeblieben, nein, das ist der Orient nicht mehr. Großstädte im Osten, modernste Bauten, höchste Türme, Hotels in der Wüste, die Fluglinien der Emirate sprechen eine andere Sprache. Und doch: Singende Imame mit hennarot gefärbten Bärten, die Wasserpfeife in verräucherter Kneipe, Holzschnitzgitter an Haremsfenstern, - Kurkuma, Koriander, Kreuzkümmel und Basilikum in kleinsten Kräutergärtchen: Es gibt sie noch die poetische Seite des Orients! Wenn beispielsweise ein Nomadenfürst Be-sucher willkommen heißt, mit großer Gebärde hinweist über Zelte und Weideland, so weit das Auge reicht, mit den Worten: „Dieser Bereich sei Euer, bewegt Euch sorglos und frei, Gäste seid Ihr des Lagers, Ihr steht unter unserem Schutz!“, dann dürfen die Fremden sich an die uralte sprichwörtliche Gastlichkeit des Orients erinnert fühlen. Das gilt auch heute noch.
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